Wohler Anzeiger, 11. September 2018
von Klara Bosshart-Schwaller
Von berĂŒhrenden Piani bis aufwĂŒhlenden Forti, – so prĂ€sentierte sich das Kammerorchester 65 unter der Leitung von Alexandre Clerc in der katholischen Kirche. Als Solist spielte der Klarinettist Fabio di CĂ sola.
Zwischen Piano und Forte werden alle Ausdrucksweisen subtil auf einem Silbertablett dargeboten. Und so erobern schon die ersten Takte einer OuvertĂŒre von W. A. Mozart das Publikum. Fröhlich ist diese Musik, gespickt mit vielen Septimen-Akkorden. Dynamisch ist der Musikfluss. Die Bassgeigen grummen, geben unmerklich den Takt an. Dazu hĂŒpfen die Streicher und BlĂ€ser munter ĂŒber Steine und Stromschnellen im Flussbett. Alles mit Anmut und Charme.
Nun liest der Sprecher Walter KĂŒng einen Text des Komponisten Louis Spohr, der vom damals schon tauben und in der Folge auch menschenscheuen Beethoven eingeladen wurde. Die beiden kamen sich nĂ€her und schĂ€tzten einander gegenseitig. So folgt das Konzert Nr. 1 fĂŒr Klarinette und Orchester von L. Spohr. Die Stimmung ist gleich anders als bei Mozart, dunkel, geheimnisvoll. Plötzlich bringen KlarinettenklĂ€nge Licht und Zauber in die Musik. Und der Solist prĂ€sentiert seine Klarinette wie einen Zauberstab. Wieselflink klettern die Töne rauf und runter, machen behĂ€nde einen Abstecher in eine chromatische Tonfolge. Die Töne purzeln ĂŒbereinander und durcheinander, sehr temperamentvoll, doch immer geerdet. Lange, getragene Töne liegen da wie eine Eidechse in den letzten Strahlen der Herbstsonne. Doch zwischendurch blinzelt sie keck mit hohen Tönen und erzĂ€hlt schmeichelhaft von der vergangenen Sommerglut, immer treffsicher intoniert. Dann jagen die Töne blitzschnell und ĂŒbermĂŒtig davon. Virtuose LĂ€ufe nehmen dem Publikum schier den Atem. Bezaubernd ist ein Piano. Und die darin versteckte Melodie berĂŒhrt. Ăberhaupt sind die Melodien der Klarinette bestechend schön. Mozart wĂŒrde sich freuen. Das Orchester begleitet dazu grossartig und lĂ€sst dem Solisten Luft und Raum. Markant sind die kurzen Duette zwischen Klarinette und Horn, Fagott oder Flöte. Da wird mutig arrangiert. Nach dem Schlusspiano folgt ganz spontan ein begeisterter Applaus.
Nach der Pause wird ein Text von Gioachino Rossini gelesen. Er bewunderte Beethoven, bezeichnete ihn als Genie. Beethoven seinerseits gab Rossini den Rat, weiterhin lustige Opern, vor allem viele Barbieri, zu komponieren. Nun folgen âTema e Variazioni fĂŒr Klarinette und Orchesterâ von G. Rossini. Die ersten Töne könnten von Mozart sein. Wunderschön singt die Klarinette. Die Piani gehen unter die Haut, wecken eine stille Freude auf mehr. Und grossartig dezent, ja filigran, spielt das Orchester dazu. ĂbermĂŒtig wird die Musik und plötzlich bricht die ItalianitĂ voll durch. Lebensfreude und Schalk dominieren. ZĂŒndende Rhythmen auf einem rasanten Zug bleiben bei Rossini nicht aus. Da wird auch mit Verspieltheit und VirtuositĂ€t nicht gegeizt. Die Streicher, vor allem die tiefen, haben zwischendurch alle HĂ€nde voll zu tun. Nach einem wiederum herzlichen Applaus folgt eine Zugabe. Die ersten Töne sind kaum hörbar. Und wĂ€hrend das Orchester eine fein gestaltete Melodie spielt, kullern die Klarinettentöne wie Perlen in den Raum und in die Herzen.
Als Einleitung zur Sinfonie Nr. 2 von Ludwig van Beethoven liest der Sprecher einen Text des Komponisten, worin dieser seine Taubheit und auch die Kurpfuscherei seiner Ărzte beklagt. Und doch, âgezwungen von meinem lebhaften Temperamentâ komponierte Beethoven Meisterwerke. Einem Paukenschlag gleich beginnt die Sinfonie, wechselt blitzschnell ins Piano und zeigt sich schon nach ein paar Takten sehr dynamisch. Glasklar wird das Motiv der Sinfonie gespielt. Sehr schön sind die Piani, fast lautlos. Und wer genau hinhört, hört die Schönheit zwischen den Tönen. Und dann â als herrlicher Gegensatz, brausen sie los, die Forti. Das ganze Orchester macht mit. Die BlechblĂ€ser ĂŒberstrahlen alles mit Glanz. Und die Pauke holt aus ihrem Resonanzbauch alles heraus, gleicht einer tragenden SĂ€ule. Die Instrumente spielen mal lockend, mal fordernd auf die Forti zu. Höchste und tiefste Töne drehen sich in einem rasanten Ringelreihen. Und doch sind auch diese Forti stets einem beseelten Ausdruck verpflichtet. Immer wieder bringen rhythmische Akzente Spannung und Vielfalt. Da ĂŒberrascht ein Musikfluss mit seiner Sanftheit, da blitzen Glanzpunkte bei den Flöten auf, da schlagen die hohen Streicher einen Purzelbaum. Der Dirigent dirigiert nicht nur mit seinem Stab sondern auch mit seinem Körper. Dezent setzt er mit jeder Fingerkuppe und jeder Zehenspitze die  Akzente. Er unterstreicht den Musikfluss mit Hin- und Herwiegen, ja fast tanzen. Aus der Hocke heraus zĂŒndet er neue Feuerwerke. Sein Dirigierstab gleicht einem Pinsel, womit ein KĂŒnstler ein buntes GemĂ€lde an die Wand malt. Die Klanggewalten hat er stets im Griff.  Seine Musiker verstehen diese Körpersprache und machen beim Malen des Kunstwerkes voll mit. Beherzt, in schnellem Tempo beginnt der letzte Satz der Sinfonie. Unerwartete Wendungen bringen Kurzweil. BlĂ€ser und Streicher halten Zwiesprache. Herrlich, wie die Pauke hin und wieder die MusikgesprĂ€che durchbricht und alles auf einen Punkt bringt. Und in den letzten Takten in einem strahlenden Forte gehen Herzblut und Freude durch das Orchester und den Dirigenten. FĂŒr das Publikum ist dies spĂŒrbar. Herzlichen Dank fĂŒr diese musikalische Sternstunde!