Wohler Anzeiger, 27. August 2021
Klara Bosshart, Wohlen
Man muss die Feste feiern, wie sie fallen, – oder eben Corona bedingt ein Jahr später. Der Konzertfonds hat das Belenus-Streichquartett in die Kanti eingeladen. Mit ihrem Musizieren feierten sie das 250-jährige Jubiläum des grossen Komponisten Ludwig van Beethoven. Das Quartett ist in Wohlen bekannt. Das Publikum ist deshalb neugierig.
Das Eröffnungsstück ist das Quartetto serioso Op. 95 in f-moll. Es spielen Seraina Pfenninger und Anne Battegay, Violinen, Esther Fritzsche, Viola und Jonas Vischi, Cello. Und schon nach den ersten Takten zeigt sich das geniale Können Beethovens. Vielseitig, farbenfroh, einem Kaleidoskop gleich ist die Musik. Wild ist der Anfang und schnell geht es über zu einem langsamen Motiv. Da liegt ein pulsierendes Hin und Her von Gegensätzen. Die Auflösung der dichten Akkorde hat etwas Faszinierendes. Es ist als würde sich ein Dschungel zu einer Lichtung öffnen. Herrlich ist das Werk mit Pausen gespickt. Sehr schön, wie die Viola die Mitte von den hohen Streichern zum tiefen Cello auslotet. Die Musik ist voll Dynamik und enormer Lebhaftigkeit. Doch der Komponist konnte auch anders. Da sind Motive voll Ruhe, Sanftheit, ja Zärtlichkeit. Immer wieder wechseln langsame, verträumte Takte mit Forti. Abrupt sind die Wechsel, und doch wirken sie wie aus einem Guss. Lieblich singen die Geigen. Jäh schrecken die Cellotöne sie auf, wie ein Donner in der Stille. Im Allegro schmeichelt sich gleich zu Beginn ein fröhliches Motiv in die Herzen des Publikums. Wunderschön mit welchem Ausdruck und mit welcher Ausstrahlung die Vier musizieren. Und urplötzlich spielt das Cello laut seinen Part. Ist das ein Unkenruf auf einem grünen Algenteich? Dazu kommt das Sirren und Summen tausender Mücken auf der Wasseroberfläche, präzise gespielt von den Geigen und der Viola. Plötzlich ruhen die Cellotöne im tiefblauen Wasser und auf der Wasseroberfläche tanzen die Geigenmotive wie gelbe Sonnenkringel.
Mit einer verträumten Melodie beginnt das Streichquartett Op. 132 in a-moll. Da dominieren mal die Motive der Geige, abwechselnd mit denen der Viola oder des Cellos. Mit Spielfreude und Konzentration wird musiziert. Bezaubernd schön ist das Singen der Geigen. Sie umgarnen die Viola und das rhythmische Pulsieren des Cellos. Ein Kokon entsteht, platzt auf und ein lilafarbener Falter flattert davon. Verschiedene Motive jagen sich und doch sind immer wieder kurze Pausen da, vor allem beim Cello. Sie laden zum Verweilen ein. Doch Geigen und Viola wecken auf und reissen mit. Die Musik wird fröhlich und tänzerisch. Plötzlich beginnen die Geigen eine zarte Melodie. Die Viola kommt dazu, dann das Cello. Innig ist das Musizieren. Es gleicht der aufgehenden Sonne. Dieser Teil des Stückes erinnert an Musik aus der Renaissance, vor allem an Palästrina. Etwas Schlichtes ist da. Und darin liegt ein Zauber. Eine unglaubliche Ruhe liegt in den reinen Akkorden. Dies ist ein beachtlicher Gegensatz zu der eher stürmischen und dramatischen Musik des Werkes. Dann wird das Cello verspielt, ja lausbubenhaft. Und die Viola wird zu einer Viola d’Amore, verknüpft mit roten Liebesfäden die Geigen mit dem Cello. Bemerkenswert ist das genaue Zusammenspiel, sowohl bei quirligen wie auch bei langsamen Motiven. Da passt einfach alles zusammen. Doch unverhofft geht es in einem rassigen Tempo weiter. Die hohen Streicher pirschen davon. Interessant dazu ist das Cellospiel, im Rhythmus leicht versetzt. Das bringt Spannung. Überhaupt gibt es mit einem markanten Motiv den Ton an, rührt mit seinem Farbpinsel tüchtig in violetten Tönen. Bezaubernd dazu sind das Hellblau der Geigen und das Purpurrot der Viola. Und immer wieder ertönen die massiven Akkorde. Doch daneben sind die grossartigen Entlastungen am Ende einer Phrase. Die gewichtigen Akkorde lösen sich auf wie pechschwarze Gewitterwolken in helle, leichte Zirren. Oder das Umgekehrte passiert. Da verdichten sich verschiedene Streichermotive wie Fäden zu einem bunten Knäuel. Dieser rollt in den Raum und hüpft in die Herzen der Zuhörerinnen und Zuhörer. Nun baut sich etwas Neues auf, zuerst etwas verhalten, dann immer lauter bis zu einem fulminanten Schlussakkord.
Farbige Motive, gepaart mit verschiedenen Tempi und kontrastreichen Rhythmen bildeten ein äusserst abwechslungsreiches Konzert. Das Publikum dankte mit einem herzlichen Applaus. Es war ein grossartiger Musikabend.