Wohler Anzeiger, 4. Juni 2021
Artikel von Konzertbesucherin Klara Bosshart-Schwaller, Wohlen
Das Programm des Bläserquintetts „BlattWerk“ ist eine weitere musikalische Perle, womit der Konzertfonds das Publikum überraschte. Er hatte am vergangenen Samstag in die Kantonsschule Wohlen eingeladen.
Herrlich frisch spielt das Bläserquintett. Es sind Martin Bliggenstorfer, Oboe, Jonas Tschanz, Saxophon, Elise Jacoberger, Fagott, Richard Haynes, Bassklarinette und Nils Kohler, Klarinette. Die zur Aufführung kommenden Werke sind neu für ein Bläserquintett arrangiert worden. Das weckt Neugier. In tiefen Registern sind die ersten Takte aus einer Suite von Jean-Philippe Rameau. Zu einer fast melancholischen Stimmung gesellt sich auch Spielfreude. Lüpfig wird die Musik. Saxophon und Fagott geben helle Motive. Die beiden Klarinetten beginnen zu plaudern, beide sehr virtuos. Auch die Oboe zeigt, was sie kann, verwandelt sich in eine Oboe d’Amore. Fanfarenstösse schmettert das Saxophon. Bemerkenswert schön ist die Dynamik. Da gelingen tolle Aufschwünge ins Forte. Und lange Töne behalten auch im Piano ihre Spannung. Plötzlich wird die Musik tänzerisch. Unter der südlichen Sonne Frankreichs wird getanzt, was die Schuhe hergeben. Es folgt die Suite Bergamasque von Claude Debussy. Sprühende Spielfreude liegt schon in den ersten Takten. Auch mit dem Tempo wird gespielt. Wohlig gurgeln die tiefen Töne der Oboe. Dazu kommen die satten Klänge der Bassklarinette. Kurze Ostinate bestimmen den Spielfluss, darin stehen die Fagott-Stösse wie markante Pfeiler im Musikfluss. Es ist Musik, die atmet und die sich in grossen und kleinen Bögen durch die Aula zieht. Neckisch ist eine unerwartet kurze Pause vor einem Schlussakkord. Da horcht das Publikum auf. Schwatzen und Ideen Austauschen beherrschen die Oboe und das Saxophon meisterlich. Charmant mischt sich das Fagott mit hohen Tönen und lausbübischen Motiven ins Gespräch ein. Bekannt ist das Stück „Claire de lune“. Es macht einen speziellen Reiz aus, wenn eine vertraute Melodie neu arrangiert ist. Das macht aufmerksam, neugierig. Sanfte, ja zarte Töne schweben durch den Raum. Da liegt etwas Neues in der Luft. Fröhlichkeit und eine grosse Vielfalt an Motiven haben etwas Betörendes. Debussy’s Musik mit den vielen Triolen hat es in sich.
Nun kommt ein Abstecher nach Ungarn mit einer Suite von Béla Bartòk. Die Bassklarinette beginnt. Ihr Rhythmus erinnert an das Marschieren einer Armee gut disziplinierter Soldaten. Saxophon und Oboe tun es ihr gleich, marschieren im Gleichschritt mit. Ein enormer Drive liegt in dieser Musik. Herrlich wie die Bassklarinette gluckst. Überraschende Wechsel im Rhythmus bleiben nicht aus, jagen die Instrumente zu Übermut. Das Ganze erinnert an ein Durcheinander im Hühnerhof. Doch allen ist es hier wohl, den Hühnern wie dem Hahn. Das Scherzo macht seinem Namen alle Ehre. Das einzig Beständige in dieser Musik ist der stete Wechsel, die unzähligen Ideen. Die Bassklarinette beginnt, jagt auf und ab. Das Eilen und Vorwärtsdrängen wird durch stehende Akkorde unterbrochen. Atemlos macht diese Musik. Sie gleicht einem lodernden Feuer. Hoch züngeln die Flammen auf, fallen schnell in sich zusammen, lassen gekokeltes Holz und Asche zurück. Da sprühen neue Funken in den Nachthimmel auf, fast gespenstisch schön. Die Harmonien werden immer wieder gestört, mal durch die tiefen, mal durch die hohen Blasinstrumente. Das Saxophon beruhigt mit einem kurzen Solo. Der vierte Satz dieser Suite überrascht mit einem langsamen Tempo und Ruhe. Zauberhaft ist die Atmosphäre. Ein neuer Klangteppich wird ausgebreitet. Da kann die Bassklarinette noch so vorwärtsdrängen, die andern machen nicht mit, geniessen den ruhigen Musikfluss. Das folgende Stück „Ma mère l’Oye“ von Maurice Ravel hat das Quintett selber neu arrangiert. Die beiden Klarinetten beginnen mit einer berührenden Melodie. Die anderen Bläser nehmen diese auf und malen ihre Klangfarben in die Musik. Der Aufbau der Forti gelingt vortrefflich. Und wunderschön ist das anschliessende Zurückfallen ins Piano. Fast frech streut das Saxophon seine hohen Töne in die Musik. Spielt da ein Harlekin den Spassvogel? Plötzlich feixen die beiden Klarinetten ganz witzig miteinander. In diesem Stück überborden Einfälle und rhythmische Gestaltung. Kurzweil triumphiert. Und Keckheit und List bleiben dabei nicht verborgen. Und wiederum geht es nahtlos über zu Wohlklang, Ruhe und Innigkeit. Doch nicht lange. Schon sprudeln lebhafte Tonfolgen und rasante Rhythmen aus den Blasinstrumenten. Es ist ein Wechsel von laut und leise, eingängigen Melodien und Disharmonien, getragenen Tonfolgen und rhythmischen Akzenten. Fröhlich ist der Schlussakkord.
Lang und herzlich ist der Applaus. Als Zugabe folgt ein „Passepied“ von Debussy. Musikalische Leichtigkeit und Witz lassen das Konzert ausklingen. So brachte eine phantastisch musizierende Bläsergruppe frischen Wind in diesen Sommerabend.