Wohler Anzeiger, 27. Oktober 2017
Artikel von Klara Bosshart, Wohlen
Frühvollendete Genies als Vorbild für die Romantik
Konzert vom Sonntag, 22. Oktober 2017
Der Konzertfonds Wohlen hat letzten Sonntag zu einem musikalischen Gourmet-Menü eingeladen. Die reformierte Kirche war fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Mit Werken aus der Klassik und vor allem der Romantik wurde ein Festtagstisch reich gedeckt.
Es musizieren Kurt Meier, Oboe; Thomas Wicky und Arlette Meier-Hock, Violinen; Katarzyna Losiewicz, Bratsche und Stefania Verità, Cello. Den Auftakt macht ein Salzburger Divertimento von W. A. Mozart. Es ist ein Geniestreich eines 16-jährigen. Die tiefen Anfangstöne machen schnell einem verspielten, virtuosen Musizieren Platz. Kecke, fröhliche Geigentöne harmonieren mit den eher tiefen Tönen der Bratsche. Herrlich fliessend sind die Übergänge von einem Motiv zum nächsten. Lieblich beginnt das Andante. Leichtfüssig, ja hüpfend, dann wieder im musikalischen Fluss schwelgend, so wird gespielt. Übermütig ist das Presto. Ein lustiges, zündendes Motiv macht den Anfang und blitzt immer wieder auf. Zwischendurch jagen sich die beiden Violinen und die Bratsche, taumeln wie Herbstblätter im Wind. Die Dynamik ist grossartig. Dieser oft subtile Wechsel von Piano zu Forte macht den wunderschönen Melodiefluss noch spannender. Mozart kreierte dieses Vorspeisenhäppchen, raffiniert, bunt und grossartig im Genuss.
Mit ein paar Sätzen informiert Kurt Meier auf originelle Art und Weise jeweils über das neue Musikstück. So folgt nun ein Konzertstück für Oboe und Streichquartett von Julius Rietz. Die Starttöne sind tief, melancholisch. Doch nach ein paar Takten bringt die Oboe Heiterkeit. Sie überstrahlt mit ihrem Klang die Düsternis der Streichermotive. Sie dominiert mit ihrer Fröhlichkeit, da können die Streicher noch so schwermütig spielen. Sie bringt auch witzige Wendungen. Manchmal erinnert sie an einen lustigen Jauchzer. Das Cello dazu ist wie das Blubbern einer dicken Suppe. Es hält mit seiner Begleitung das Ganze am Köcheln, einem zunehmend interessanten Köcheln. Da ist auch Aufbruch zu etwas Ungewohntem, was das Publikum in seinen Bann zieht. Dabei überzeugt das geschmeidige und haargenaue Spielen der Musiker. Überhaupt ist die Kombination von Streicherquartett und Oboe sehr schön. Die Oboe ist wie eine Singstimme im Streicherklang. Wieselflink spielt sie ihre Melodien, stets lupenrein intoniert. Bemerkenswert ist das von der Oboe glasklar geführte Ritardando.
Nach einer kurzen Pause überrascht ein Streicherquartett des 12-jährigen Felix Mendelssohn mit seinem jugendlichen Übermut und seiner Frische. In dieser Musik stecken kindliche Neugier und Entdeckerfreude. Da werden neue Formen ausprobiert. Genussvoll phrasiert sind die Motive. Manchmal gleichen die Piani einem verhaltenen Seufzen. Schnell ist der Wechsel von geheimnisvollen Motiven zu fröhlichem Klang. Die beiden tiefen Streicher bringen Bodenständigkeit, die beiden Violinen Luft und Licht. Im ersten Satz entwickelt sich ein grossartiger Schlussakkord. Wie ein Fettauge schwimmt er auf einer gehaltvollen Hühnerbouillon. Im Andante wird mit gezupften Saiten gespielt. Dazu singt das Cello seine ruhige Melodie. Das Ganze hat etwas Schwebendes. Füllt da der Duft des Sonntagsbraten Küche und Haus? Die erste Geige will mit dem Duft heimlich entwischen und lässt doch gleichzeitig aufhorchen. Denn den Ohren des Publikums entgehen solche Leckerbissen nicht. Lebhaft, beschwingt, ja kühn beginnt das Cello das folgende Allegro. Und die anderen Streicher übernehmen den Schwung und die Beweglichkeit. Die Modulationen von einer Tonart in eine andere begeistern. Da bleibt nur Staunen.
Nun folgt ein Concertino für Oboe und Streichquartett von Bernhard Molique. Die Oboe singt und gleichzeitig wetteifern die Streicher um die schönsten Melodien. Manchmal erinnert das Werk an die Klassik. Auch hier dieser reibungslose Wechsel von einem Motiv zum nächsten, die vielen Stimmungen, die tolle Dynamik. Doch etwas Neues kommt dazu: Variationen mit dem Rhythmus. Auftaktig ist ein Ostinato. Dazu setzt sich das Cello wunderschön in Szene. Grossartig, wie sich die Oboe mit ihrem Singen steigert, mal getragen, mal lebhaft, immer spannend. Diese Musik gleicht einer Früchteschale. Die tiefen Cellotöne ruhen wie grosse, knackige Birnen auf dem Schalengrund. Die Bratsche lacht wie ein rotbackiger Apfel. Die Geigentöne gleichen saftigen Trauben. Süss und gehaltvoll wie reife Feigen ist der Gesang der Oboe. Die Musiker spielen mit äusserster Konzentration. Ist jedoch ein Satz zu Ende zeigt sich ihre Freude am gelungenen Musizieren.
Das Publikum ist begeistert. Die Zugabe ist eine Komposition von Sandra Goldberg. „In midnight mood“. Es ist ein Tango. Neue Akkorde und neue Rhythmen fesseln die Zuhörerinnen und Zuhörer. Das kurze Werk präsentiert sich wie eine Erdbeere im Schlagrahm. Einfach Genuss pur!