Wohler Anzeiger, Â 19. November 2013
von Klara Bosshart-Schwaller, Wohlen
Konzert vom 16. November, 20.00 Uhr, Rondell Kantonsschule Wohlen
Winter Words
Judith Flury, Klavier
Andreas MĂŒller, Violoncello
Andreas MĂŒller-Crepon, Sprecher
bos. Ăberraschungen und herrliche Melodien liegen im Programm âWinter Wordsâ. Es ist das Schlusskonzert des Konzertfonds Wohlen im 2013. Das Programm gleicht einer Reise ins Spannungsfeld von Wort und Musik.
Eine Auswahl von Liedern aus der âWinterreiseâ von Franz Schubert macht den Anfang. Lyrisch beginnt das Klavier, gespielt von Judith Flury. Nicht minder lyrisch setzt das Cello nach ein paar Takten ein. Es spielt Andreas MĂŒller. Das Streichinstrument ĂŒbernimmt die Rolle des SĂ€ngers. Und wie es zu singen beginnt! Mit Ausdruck und Seele. Da können die Worte dazu fehlen. Dem Gesamtgenuss tut es keinen Abbruch. Der Sprecher Andreas MĂŒller-Crepon liest zwischen den einzelnen SĂ€tzen Gedichte oder Prosatexte. „An einem Wintermorgenâ von Eduard Mörike bringt Romantik. Da trĂ€umt am Horizont nicht nur der Tag, sondern auch das Publikum wird zum TrĂ€umen verfĂŒhrt. Wunderbar passt da der Ăbergang vom Wort zur Musik. Die wilden AusbrĂŒche des Cellos haben Kraft und Schwere, verbĂŒnden sich mit der schwer lastenden Dunkelheit der Wintertage. Das Klavier begleitet mit Luftigkeit und Helle. Da liegt ein Spannungsbogen von Dramatik und Zartheit. Mit einer Geschichte aus dem alten England fĂŒhrt der  Sprecher zum Komponisten Benjamin Britten. Es folgt von ihm eine Sonate fĂŒr Violoncello und Klavier. Schon der Anfang bringt neue Rhythmen. Versetzte Akzente in Klavier und Cello bringen Spannung. Da sind ĂŒberraschende Momente in einen musikalischen Fluss eingebettet. Der Cellist spielt mit Leidenschaft und einem inneren Feuer, ja einer Innigkeit, fast der RealitĂ€t entrĂŒckt. Herrlich sind die tiefen Töne, das Grummen im Bassregister. Mit Schwung werden sie dem bauchigen Instrument entlockt, schwingen sich empor und verharren kurz im Augenblick. Dazu ĂŒberrascht das Klavier mit EinfĂ€llen, die einerseits von leichtem Schneegestöber, andererseits von der Schwermut langer NĂ€chte berichten. Ein Wintergedicht von Heinrich Heine erzĂ€hlt nicht nur von KĂ€lte, sondern auch von Liebesliedern im Sommer. ĂbermĂŒtig wird die Musik. Die Cellosaiten werden gezupft. Da Klavier versucht diesen Effekt nachzumachen. Da entwickelt sich ein Wettstreit zwischen den beiden Instrumenten. Die Melodien des Cellos haben etwas Schmelzendes, wie Schnee in der MĂ€rzensonne. Daneben hat das Klavier etwas HĂŒpfendes. Da tollen Kinder ĂŒber Schneefelder, bewerfen sich mit SchneebĂ€llen. Ein gewaltiger Aufschwung im Cello reisst mit und Pianotupfer, Schneeflocken gleich, bringt das Klavier. Das folgende Wintergedicht von Georg Trakel berĂŒhrt. Beim Vortragen springt der Funke vom Sprecher ins Publikum. In seiner Sprache liegt Ausdruck, gepaart mit Einfachheit. Die Sprache ist nie ĂŒbertrieben, sondern immer dem Wort und dessen Inhalt verpflichtet. Und gerade das kommt an. Die Musik nimmt die Stimmung des Gedichtes auf. Da wird mit Tönen eine Geschichte erzĂ€hlt. Sie ist geheimnisvoll, fast mystisch. Der Cellist zischt mit dem Bogen ĂŒber die Saiten, lĂ€sst die Musik kurz jammern. Dann gleicht er einem Bajazzo, zupft die Saiten mit Spass und VirtuositĂ€t. Daneben gleicht das Spiel der Pianistin einem Tanz. Es ist der Tanz ihrer Finger mit weissen und schwarzen Tasten. Mit Genuss spielt sie Schwerpunkte und Entlastungen und kostet diese richtig aus. Gestaltung und Ausstrahlung gelingt beiden. Das sehr genaue Zusammenspiel von Klavier und Cello hat etwas Bestechendes und ist wunderschön. Mit schnellen Synchronbewegungen fĂŒhren die Instrumente zu einem unglaublich schönen Schluss.
Nach einer kurzen Pause erzĂ€hlt Andreas MĂŒller-Crepon von Britten und seiner Beziehung zu Schuberts Musik. Das Ausloten und Spielen mit Dur und moll war beiden wichtig. âWinter Wordsâ von Britten ist eine Antwort auf Schuberts âWinterreise. Der Sprecher liest Wintergedichte von Thomas Hardy, zuerst auf Deutsch, dann auf Englisch. Dem Zuhörer wird da bewusst, welche Vielfalt Sprachen haben. In diesen zwei Sprachen sind andere Rhythmen und andere Vokalakzente. Beherzt beginnt das Klavier. Die Musik lebt von Kurzweil und verschmitzten EinfĂ€llen. Immer wieder blitzen spannende rhythmische Ideen auf. Da liegen ein ruhiger Fluss neben wildem Aufbrechen, TrĂ€umen von WĂ€rme neben klirrender KĂ€lte. Den Abschluss macht eine âArpeggione-Sonateâ von Schubert. Zwischen den SĂ€tzen sind Gedichte von Wilhelm MĂŒller. Der Gesang des Cellos geht allen unter die Haut. Die Klavierbegleitung hat neben dem konzentrierten und dramatischen Spiel des Cellisten etwas Verspieltes. Ein wunderbarer Gegensatz! Doch plötzlich ist das Klavier das Soloinstrument. Es dominiert kurz das Geschehen, macht immer wieder Abstecher in unbekĂŒmmertes, fröhliches Spiel. Da werden PurzelbĂ€ume im Schnee geschlagen.
Herzlich ist der Applaus. Die Novembernacht hat plötzlich etwas Behagliches. Auch KÀlte und Dunkelheit inspirieren zu Schönheit in Wort und Musik. Danke!